Samstag, 16. August 2008

Wickys Karriere

Da e Zämefassig vo e Paarne Leistige vom Raphaël Wicky:
In der aktuellen Schweizer Nationalmannschaft, die geprägt wird von jungen Talenten, ist Wicky mit seinen 29 Jahren schon fast ein Methusalem. Neben Johann Vogel ist er der Einzige, der schon seit langer Zeit zum Stamm der Nati gehört. Mit seinen 64 Länderspielen ist er nach Kapitän Vogel der Spieler mit der meisten Erfahrung im Team und nach wie vor eine feste Grösse.

Seinen Entschluss, Fussball spielen zu wollen, fällte er schon früh. Mit sechs Jahren mussten ihn Eltern, Grosseltern und Schwestern zum ersten Training mit dem FC Steg begleiten. Doch als es nicht ganz so lief, wie er sich das vorgestellt hatte, weinte er bitterlich und verschob seinen Karrierenstart kurzerhand um eine Woche. Sein Talent blieb nicht lange unerkannt; schon bald holte ihn der FC Sion zu sich. Bereits mit 16 Jahren debütierte er in der Nationalliga und wusste dermassen zu beeindrucken, dass er nur ein Jahr später in die Nationalmannschaft berufen wurde. An der EM 1996 in England durfte er erstmals Endrunden-Luft schnuppern, als er gegen Schottland (0:1) eine Halbzeit lang zum Einsatz kam.

Mit Sion hatte der Walliser zuvor schon zwei Cupsiege errungen – 1996 gelang ihm sogar gegen Servette eines seiner seltenen Tore – , ein weiterer folgte im Jahr nach der EM und sogar der Meisterpokal ging in jenem Jahr ins Wallis. Als 19-Jähriger wechselt Wicky für 2,2 Millionen Schweizer Franken zu Werder Bremen. Obwohl er stets von Heimweh geplagt wird, etabliert er sich sofort als Stammspieler. Auf dem Platz wirkt er bereits sehr routiniert und frech, spielt stets solid und zuverlässig im defensiven Mittelfeld oder in der Verteidigung. 1999 gewann Wicky – wie könnte es anders sein – mit Werder den DFB- Pokal, im Finale gegen die Bayern trifft er sogar im Elfmeterschiessen.

Schon in jenem Jahr hat Wicky mit Verletzungen zu kämpfen; seinen Stammplatz erobert er sich aber jeweils umgehend zurück, sobald er wieder fit ist. Ein Jahr später steht er kurz vor einem Wechsel zu Borussia Dortmund. Als in der Winterpause aber eine Offerte von Atlético Madrid kommt, zögert Wicky keinen Moment und sagt zu, obwohl der Verein damals nur zweitklassig war. Spanien war stets sein Traumziel, doch in Europas Süden wird Wicky nicht glücklich. Verletzungspech begleitet ihn zu der Zeit und bald ist er in Madrid nicht mehr erste Wahl. Nur ein Jahr später ist er wieder zurück in der Bundesliga: Der Hamburger SV offeriert ihm im Dezember 2001 einen Vierjahresvertrag.

Im Norden Deutschland findet Wicky schnell seine Form wieder und gehört dort seit über vier Jahren zur Startformation; mittlerweile hat er über 200 Bundesliga-Partien absolviert. Spiele verpasst der ruhige Defensivmann nur aufgrund von Verletzungen oder Sperren – beides passiert ihm in letzter Zeit allerdings immer öfters. Vor allem in der Nationalmannschaft kassiert er in beinahe jedem Pflichtspiel eine gelbe Karte. Und das, obwohl er dort meist im linken Mittelfeld aufläuft und so weniger Defensivarbeit zu verrichten hat als im Verein.

An der Europameisterschaft 2004 in Portugal war Wicky nicht nur ein stiller Arbeiter im Mittelfeld, sondern bester Spieler der Mannschaft. Er neutralisierte seine Gegenspieler und bewies, dass er durchaus auch offensive Akzente setzen kann. Er lancierte Stürmer und ging in den Angriff mit; Qualitäten, die er vorher kaum gezeigt hatte. Das Aus in der Gruppenphase konnte er zwar nicht verhindern, seine Form aber hielt bis zur WM-Qualifikation an, in der er gegen die Färöer sogar sein viel bejubeltes erstes Länderspieltor erzielte.

In der vergangenen Saison war er Teil der starken Hamburger Mannschaft, die bis zuletzt die Bayern zu bedrängen vermochte. Er behauptete seinen Platz auch, als das holländische Talent de Jong verpflichtet wurde. Nach nur zwei Spielen auf der Bank stand er wieder in der Anfangsformation – ein untrügliches Zeichen für die Wichtigkeit des fleissigen Wallisers, der übrigens nach wie vor täglich telefonischen Kontakt mit dem Oberwallis unterhält.

Wicky mag nicht so energisch und schnell sein wie Barnetta, sein Pendant auf der anderen Seite. Er ist gewiss auch weniger torgefährlich als die meisten seiner Teamkameraden. Doch Köbi Kuhn hat mit ihm einen Spieler, der unzählige Bälle erkämpft, dank seiner technischen Fertigkeit mit Kurzpassspiel den Ball sichern kann und ein Auge für den guten und stets sicheren Pass hat. Erreicht er nochmals das Niveau von 2004, kann er dieser ohnehin schon besser als damals besetzten Mannschaft sehr viel bringen. «Ab 28 Jahren», sagt er, «befindest du dich als Profi im besten Alter».

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