Donnerstag, 11. September 2008
Schweiz-Luxemburg
Wenn ein Titel wie «Ein ziemlich blamabler Auftritt» noch zum Positivsten gehört, was man in der Schweizer Presse über das gestrige Spiel hört, noch zu den harmlosen Kommentaren gehört, steht es schlimm um die schweizer Fussballnationalmannschaft.
So hets hüt i de 20min Überschrift tönt.
Mini Meinig-Sie hend zwar ned würkli guet gspilt, aber ich finds au falsch vo de Ziitige, dass nur s schlechte schriibed! Ich persöndlich han d Vorlag vom Yakin und s Goal vom N`Kufo genial schön gfunde-Sie sind perfekt ufenand abgstimmt gsi und trotzdem lohnt niemert die Leistig!! Ah ja s nögst Spiel isch am 11. Oktober geg Lettland und s übernögst isch am 15. geg Griecheland!!!
Jetz au no de ganz Bricht vo de Ziitig:
Als Blaise Nkufo die präzise Flanke in der 43. Minute zum 1:1 verwertete, glaubten wohl alle der 20 500 Zuschauer, der Bann sei gebrochen, die Nervosität überwunden. Das Gegenteil traf ein. Der schlechten ersten Hälfte folgte eine noch miserablere zweite - mit dem Tiefpunkt in der 86. Minute: Jeff Strasser, der Freistossschütze des 1:0, düpierte die Schweizer bei einer Standardsituation mit einem Steilpass auf Alphonse Leweck, der den Gastgebern aus spitzem Winkel den kaum für möglich gehaltenen Gnadenstoss versetzte.
Ein paar Zahlen erklären den Umfang dieser epochalen Pleite. Bis zum Oktober 2007 und einem wertlosen 1:0-Erfolg in Weissrussland haben die europäischen Dauerverlierer 55 Pleiten in Serie erlitten. In der letzten WM-Qualifikation reihten sie 12 Niederlage aneinander. In der FIFA-Weltrangliste belegen die Zwerge Platz 152 - vor ihnen ist sogar die Inselgruppe Vanuatu aus dem Südpazifik klassiert.
Konkurrenz siegt
Griechenland und Israel, die Mitkonkurrenten der Schweizer, siegten beide. Mit der schweren Heimniederlage haben sie sich ohne Grund und Not ins Abseits gespielt. Dieser Fauxpas wird schwer zu korrigieren sein. Und Hitzfeld erlitt nun bereits im zweiten Einsatz eine Enttäuschung von grösserer Tragweite.
In der 27. Minute manövrierten sich die Schweizer in jene ungemütliche Lage, die sie unter allen Umständen vermeiden wollten. Barnetta verschuldete vor dem Strafraum einen Freistoss. Jeff Strasser, neben Mario Mutsch vom FC Aarau einziger Profi im Team der Gäste, zirkelte den Ball durch die Mauer. Der Schweizer Keeper reagierte zu spät und liess den scharfen, aber nicht platzierten Schuss passieren.
Eine Chance, ein Tor
Die Führung war aus Sicht des krassen Aussenseiters der maximale Ertrag. Ausser der Sicherung der eigenen Zone hatten die Namenlosen aus dem internationalen Fussball-Niemandsland eigentlich nichts im Sinn. Im Normalfall schirmten sie ihre Platzhälfte mit zehn Spielern ab. Mit dieser erwartet destruktiven Formation bekundeten die Schweizer vor allem in der ersten Hälfte erhebliche Probleme. In den Couloirs produzierten sie Fehlpässe statt gefährliche Flanken.
Schweiz offensiv völlig harmlos
Während 90 Minuten enttäuschte die Offensivabteilung der Schweizer nahezu im Kollektiv. Weder der erneut schwache Tranquillo Barnetta noch der erstmals in einem Wettbewerbsspiel von Beginn weg eingesetzte Basler Valentin Stocker entwickelten auf der Seite Druck. Blaise Nkufo und der vorwiegend blasse Rückkehrer Alex Frei mühten sich bis auf die Szene beim 1:1 ohne Support ab.
Ottmar Hitzfeld hatte am Tag zuvor eine spielerische Steigerung gefordert. Seine Forderung, die Zahl der unnötigen Ballverluste zu reduzieren, erfüllten die Schweizer nicht einmal ansatzweise. Stattdessen liessen sie sich von einem Team, das sich zur Hauptsache aus Schülern, Studenten und Angestellten zusammensetzt, auf peinlichste Art und Weise vom Kurs abdrängen. Vor allem im Aufbau begingen sie reihenweise Fehler und verunstalteten das vermeintliche Pflicht-Programm des Abends gleich selber.
Schweiz - Luxemburg 1:2 (1:1)
Letzigrund. - 20 500 Zuschauer. - SR Filipovic (Ser).
Tore: 27. Strasser 0:1. 43. Nkufo 1:1. 86. Leweck 1:2.
Schweiz: Benaglio; Nef (73. Vonlanthen), Djourou, Grichting, Magnin; Inler; Barnetta, Yakin (65. Abdi), Stocker; Nkufo, Frei (65. Lustrinelli).
Luxemburg: Joubert; Kintziger, Hoffmann, Strasser, Mutsch; Lang (45. Leweck), Payal, Peters, Bettmer, Lombardelli (76. Gerson); Kitenge (66. Joachim).
Bemerkungen: Behrami, Derdiyok, Streller (alle verletzt), Huggel (krank), Coltorti, Von Bergen (alle auf der Tribüne). 89. Lattenschuss von Lustrinelli. Verwarnungen: 21. Kitenge (Foul), 29. Yakin (Unsportlichkeit), 36. Hoffmann, 45. Kintziger (beide Foul), 67. Lombardelli (Unsportlichkeit), 77. Lustrinelli (Foul), 77. Strasser (Reklamieren), 80. Reiter (Ersatzspieler/Reklamieren), 87. Vonlanthen (Unsportlichkeit).
Stimmen zum Spiel:
Ottmar Hitzfeld (Trainer Schweiz): «Der Fussball kann manchmal brutal sein. Wir blamierten uns heute bis auf die Knochen. Wir kamen nicht gut ins Spiel; nach dem Gegentor rannten wir an. Wir waren nach dem Ausgleich überzeugt, dass wir Torchancen haben und gewinnen werden. Wir taten uns in der Offensive sehr schwer und hatten keine grosse Torchance mehr. Aber ich hatte auch nie das Gefühl, dass wir noch ein Tor kriegen. Beim Freistoss liessen wir uns überrumpeln. Wir hatten noch eine gute Chance mit Lustrinelli, zu mehr reichte es aber nicht. Wir spielten zu früh nur noch hohe Bälle. Wir hätten mehr Geduld haben müssen und mehr über die Seiten angreifen sollen. Wir werden eine knallharte Analyse machen, wer der Belastung gewachsen ist.»
Tranquillo Barnetta (Spieler Schweiz): «Es ist sehr schwer zu erklären. Wir hatten uns viel vorgenommen, wurden aber je länger desto nervöser. Wir machten Fehler, die wir sonst nicht machen - und dann wir es auch schwierig gegen Luxemburg. Das 0:1 kam praktisch aus dem Nichts. Das Selbstvertrauen ist uns dann abhanden gekommen. Das war ein Fehlstart, wie er nicht zu erklären ist. Wir müssen jetzt vorwärts schauen und eine bessere Leistung zeigen.»
Mauro Lustrinelli (Stürmer Schweiz): «Luxemburg machte ein intelligentes Spiel. Solche Sachen gehören aber dazu, auch wir sind nur Menschen. Wir werden die Kritik akzeptieren. Aber es bringt nichts im Frust zu ersticken, sonst können wir sofort aufhören. Wir müssen jetzt nach vorne schauen.»
Guy Hellers (Luxemburg-Trainer): «Wir haben heute ein Team gesehen, das unbedingt ein gutes Resultat abliefern wollte. Dank seiner Kampfkraft hat es sich diesen Triumph verdient. Im Gegensatz zum Spiel gegen Griechenland haben wir heute keine Geschenke verteilt und uns auch keine groben Abwehrschnitzer geleistet. Für uns besteht noch viel Luft gegen oben. Mit ähnlich konzentrierten und disziplinierten Leistungen ist weiterhin die eine oder andere Überraschung möglich.»
Alex Frei (Captain Schweiz): «Normalerweise hat man in einer solchen Kampagne ein bis zwei Joker; heute brauchten wir beide auf. Es war die bitterste Niederlage in meiner Karriere. Man kann es nicht schönreden. Aber ich weiss aus eigener Erfahrung, dass man wieder aufstehen kann. Es bringt nichts, sich jetzt selber zu zerfleischen.»
Mario Mutsch: (Luxemburg) «Wir wurden schon gegen Griechenland krass unterbewertet. Wir waren heute vor allem sehr gut. Ich wunderte mich aber schon, dass während des ganzen Spiels nie ein konstanter Druck aufgebaut wurde. Wir haben den Sieg sicher nicht gestohlen.»
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